Transasiatour


Unterwegs

Pakistan
05.11.-24.12.05

 

Währung: Rupie, 70 Rupien = 1 Euro
Aufenthalt: 50 Tage
Route:

Taftan - Dalbandin - Quetta - Dera Gazi Khan - Dera Ismail Khan - Peshawar - Islamabad - Nathia Gali - Abbottabad - Taxila - Lahore

Gefahrene km: 3097
Benzin: 56 Rupien/L (0,8 Euro /L )



























































An der pakistanischen Grenze


Auf nach Quetta

Pakistan beginnt, wie der Iran endete: Wüste. Fast 700 km trennen uns von der ersten größeren Stadt, Quetta. Die gut ausgebaute Straße führt Ilse, Maarten, Russel, Tobi und mich durch karge Landschaft, außer Kamelen und vereinzelten Lehmhütten, die in der Hitze flimmern, gibt es nicht viel zu sehen.



























Kamelkarawane


Da wir die einzigen Fahrzeuge weit und breit sind, gibt es wenig, was unsere Konzentration fordert und die Fahrt ist langweilig. Dies ändert sich erst ab der zweiten Hälfte, als die Wüste belebter und grüner wird. Die Straße wird nun recht schmal und wir müssen auf den unbefestigten Rand fahren, um entgegenkommenden Trucks auszuweichen. Pakistanische Trucks sind eine Besonderheit: Sie sind über und über mit bunten Mustern bemalt und an der unteren Seite der Karosserie sind Metallkettchen mit Anhängern befestigt, sodass ein Truck wie eine fahrende Rassel klingt. Zudem kündigt die aus dem Führerhaus dröhnende Bollywood-Musik das Gefährt bereits von Weitem an. Auf diesem Streckenabschnitt gibt es keine Tankstellen, so sind wir auf alternative Treibstoffbeschaffungsmaßnahmen angewiesen.



























Durch die Wüste


























Typischer pakistanischer Truck, liebevoll verziert



























Wir tanken geschmuggeltes Benzin

Wir passieren regelmäßig Polizeikontrollen, bei denen wir unsere Personalien jeweils in ein Buch eintragen. Dies ist dann nervig, wenn wir alle paar Kilometer anhalten müssen; andererseits aber auch interessant, weil die Aufzeichnungen Aufschluss über die Route und Geschwindigkeit anderer Überland-Reisender liefern.

Quetta ist ein bunter Mix der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Wir sehen Männer mit Turbanen, Gebetskäppchen, kunstvoll gewickelten Tüchern und langen Bärten, Frauen hingegen kaum. Der Verkehr wird von Eselskarren, Motorradrikschas, bunten Trucks und Fahrrädern dominiert.



























In Quetta


Garküchen verströmen exotische Düfte. Das Angebot der vielen Imbissstände ist verführerisch. Es gibt fast überall lecker gefüllte Samosas und Pakoras, Dhal ist allgegenwärtig und die zahlreichen Bäckereien und Konditoreien versetzen uns in Staunen. Was anfänglich paradiesisch anmutet, entpuppt sich allerdings nach kurzer Zeit als problematisch: Die Pakistanis verwenden Unmengen von Öl, um ihr Essen zuzubereiten oder in tiefem Fett auszubacken. Es gibt sogar eine Süßigkeit, die aus purem Zucker besteht, und frittiert wird!



























Frittierte Süßigkeiten

Unser Magen ist sowas nicht gewöhnt und rebelliert. Besonders mir macht dies zu schaffen und so quäle ich mich immer wieder mit Übelkeit und Appetitlosigkeit. Wer mich kennt, wird wissen, dass es sowas eigentlich nicht gibt. Wie, Reni will nicht essen?!

Schlechte Straße - Unliebsame Begleitung

Nach sechs Tagen in Quetta ziehen wir mit dem Ziel Peshawar weiter. Von der etwa 1100 km lange Strecke dorthin haben wir viele Gerüchte über Polizeieskorten und den Zustand der Straße gehört und wir wissen nicht, was uns erwartet.

Zunächst ist die Straße geteert und gut ausgebaut. Darauf folgen 30 km Schotterpiste. Anstrengend für Mensch und Maschine. Wir sind sehr froh, als wir ab Zierat wieder Asphalt unter den Reifen haben. Da unklar ist, ob die Straße bis zu unserem Tagesziel Loralai so weiter geht, machen wir nur kurze Pausen.

Bei einer kommt ein kleiner Junge auf uns zugelaufen und zählt in beachtlicher Geschwindigkeit auf Englisch bis 20. Fertig damit, sagt er fehlerfrei das Alphabet auf. Wir sind beeindruckt und lachen mit ihm.

Einige Male werfen Kinder auch Steine...














































Er spricht bereits Englisch


Wir erreichen Loralai am frühen Abend. Als wir in ein Hotel einchecken, erhalten wir noch Besuch von der Polizei, die unsere Pässe kontrolliert und sich unsere Namen und Nummern notiert. Bevor wir am nächsten Tag weiterfahren, sollen wir uns melden, um Geleit zu bekommen. Vielleicht vergessen wir das.

Am Morgen wartet die Eskorte in Gestalt von zwei Polizisten auf einem Moped allerdings schon auf uns. Sie begleiten uns 13 km, stoppen dann und verabschieden sich.

Nach der nächsten Straßenkontrolle, bei der wir von den gelangweilten Polizisten noch einen Tee bekommen, endet der Asphalt wieder. In den folgenden 80 km finden wir die unterschiedlichsten Formen von nicht befestigter Straße vor. Alle Arten von Schotter und Sand, viele oder wenige Schlaglöcher, erkennbarer Weg oder nur eine Ebene, die man durchfährt. Eine Brücke ist gesperrt und wir durchqueren den Fluss, der zu unserem Glück ausgetrocknet ist. Wir machen selten Pause, essen wenig und sind total erschöpft. Als die Straße wieder eine Straße ist, sind wir unendlich froh und völlig eingestaubt. Nach 120 Tageskilometern übernachten wir in Fort Munru.


























Reni in der Wüste unterwegs



























Eingestaubt

In der Hoffnung nun wieder bessere Verhältnisse vorzufinden, reinigen wir die verdreckten Mopeds und machen uns am nächsten Morgen auf den weiteren Weg. Aber schlimmer geht´s immer: Mieser Asphalt wechselt sich mit feinem Sand, dicken Gesteinsbrocken und Schlaglöchern ab - das Ganze im Gebirge mit engen Haarnadelkurven. Große Trucks und Pick-ups suchen sich ihren Weg, wir dazwischen. Vorsichtig überholen wir langsamere Gefährte und haben dabei immer den unbefestigten Abhang und den Gegenverkehr im Auge. Jeden einzelnen Kilometer müssen wir uns hart erarbeiten. Bereits die ersten 30 km Schotterpiste vor zwei Tagen waren anstrengend, ganz zu schweigen von den 80 km am gestrigen Tag. Als Höhepunkt und um uns körperlich sowie mental endgültig zu zermürben, schien jemand noch diese Piste aus dem Ärmel gezaubert zu haben. Ich habe genug davon und brauche dringend eine Pause, aber da es beständig bergab geht, ist noch nicht einmal das möglich.

Nach 25 aufreibenden Kilometern kommt ein Polizei-Kontrollposten. Selten haben wir uns darüber so gefreut, zumal die Straße ab hier wieder asphaltiert ist. Wenig später erreichen wir den nächsten Kontrollposten, wo man uns erklärt , dass die Straße bis Dera Ghazi Khan durch Stammesgebiet führt. Zu unserer Sicherheit sollen wir eine Polizei-Eskorte bekommen. Kostenlos. Na gut, denken wir uns. Nach einer Stunde Warterei kommt endlich ein Polizei-Jeep mit vier Polizisten und zwei Gewehren. Sie fahren uns voraus. Zunächst finden wir das akzeptabel, da wir uns zumindest um den Weg nicht kümmern müssen. Unterwegs füllen wir noch Trinkwasser auf und sind in Gedanken schon bei einem idyllischen Übernachtungsplatz, den wir uns entlang des Indus suchen wollen, um das Zelt aufzuschlagen. Als wir Dera Ghazi Khan durchquert haben, wollen wir wissen, wie lange sie noch gedenken uns zu begleiten. Nur noch wenige Kilometer, sagen sie und bleiben kurz darauf tatsächlich zurück. Da uns mit der Polizei und ihren Waffen doch etwas mulmig war, sind wir froh, wieder alleine zu fahren...bis wir die Ablösung der ersten Eskorte am Straßenrand warten sehen. Sie folgen und erklären beim nächsten Halt, dass sie uns weitere 50 km durch ihren Distrikt begleiten werden. Das gefällt uns weniger gut, da wir den anstrengenden Tag möglichst bald beenden wollen, fügen uns aber unserem Schicksal. Aber auch diese Eskorte wird von einer nächsten abgelöst. Mittlerweile dämmert es bereits - und uns auch, dass wir die Eskorte nicht mehr loswerden - so fragen wir sie, ob wir hier irgendwo übernachten können. "NOOOOO!!! Dangerous!", erklären sie uns und wir sollen noch fünf km weiter bis zu einem Guest-House fahren. Nach 20 km sind wir immer noch nicht angekommen. Inzwischen ist es zappenduster und unsere Geduld am Ende. Wir stoppen und erklären unseren "Beschützern", dass wir nicht weiterfahren, weil wir das in der Dunkelheit zu gefährlich finden. Sie sind nicht einverstanden, aber als wir Anstalten machen, das Zelt am Straßenrand aufzubauen, bringen sie uns, nach Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten, zu einer nahe gelegenen Polizeistation. Die Polizisten werden ausgelagert und müssen open-air übernachten - wir breiten die Isomatten drinnen aus und richten unser Nachtlager ein, erleichtert, dass dieser Tag ein Ende findet. Die ganze Nacht hält ein bewaffneter Polizist vor der Tür Wache.



























An der Polizeiwache

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen und fahren weiter. Natürlich wieder von der Polizei begleitet. Die Eskorten übergeben uns jeweils an die nächsten. Es macht keinen Spaß so unterwegs zu sein - wie Gefangene. Beim Mittagessenshalt sagen wir ihnen deutlich, dass wir ohne sie reisen wollen. Nach mehrmaligem Hin- und Herfunken mit ihrem Vorgesetzten sichern sie zu, dass wir alleine weiterziehen dürfen. Endlich! Glücklich über unsere neue Freiheit, brausen wir davon. Wir duschen an einer Tankstelle und fahren eine kleine Seitenstraße ab, um einen Übernachtungsplatz zu suchen. Als wir auf einen kleinen Weg abbiegen, sind sie wieder da. Nerv... Zu gefährlich hier, sagen sie. Wir lassen keinen Zweifel daran, dass wir über ihr erneutes Erscheinen sehr verärgert sind. Aber da sie uns hier nicht campen lassen würden, kehren wir resigniert zur Hauptstraße zurück.

Während der ganzen Zeit, die wir durch Stammesgebiet fahren, haben wir nie den Eindruck, dass es gefährlich ist. Die Menschen sind immer außerordentlich freudlich. Allerdings herrscht in diesen Gebieten eine gewisse Autonomie, sodass die Polizei nur begrenzte Machtbefugnisse hat. Aus diesem Grund wollen sie sicherstellen, dass Touristen diese Gegend sicher passieren. Trotzdem wollen wir ohne sie unterwegs sein, da es nicht unserer Art zu reisen entspricht, hinter einem Polizei-Jeep, der mit Blaulicht und lalülala voranprescht, herzufahren.

Also halten wir an der Hauptstraße nochmals an und bitten sie inständig, uns alleine zu lassen. Wie so oft sagen sie, mit Stolz erfüllt, es sei ihre Pflicht Touristen zu beschützen: "It´s our DUTY!" Inzwischen hatte sich wieder eine Menschenmenge um uns und die Polizisten gebildet, einige Umstehende können unser Problem verstehen und reden auch auf die Polizisten ein. Sie versprechen erneut, uns nicht mehr zu folgen.



























Umringt, diskutieren wir mit der Polizei

Wir fahren weiter, um wenige Kilometer später den nächsten Polizeiwagen am Straßenrand zu sehen, der sich hinter uns in den Verkehr einfädelt. Wir halten an und führen die übliche Diskussion. Am Ende versichern sie - wie schon so oft - zurückzubleiben. Als wir wenige Kilometer später stoppen, um zu trinken, schließen sie doch wieder auf. Jetzt werden wir richtig sauer und zeigen ihnen das auch. Reni stehen die Tränen in den Augen. Voller Wut nimmt sie einen Stein auf und schleudert ihn gegen einen Felsen. Einen zweiten hinterher! Die Polizisten sehen das und sind ganz betroffen. Sie wollen uns nur beschützen, verstehen aber nicht, was das für uns bedeutet. Reni zieht ihren Helm auf und rast mit einem Affenzahn davon. Ich hinterher. Von der Polizei sehen wir erstmal nichts mehr und fahren wieder eine Seitenstraße ab, um zu zelten. Links sehen wir eine Plantage, in die ich hineinfahre. Mit Mühe schaffe ich es auf dem sandigen Untergrund vorwärtszukommen. Einige Pakistanis beobachten uns dabei. Wenigstens keine Polizei. Ein Mann kommt auf uns zu, erkundigt sich, was wir denn da machen und lädt uns ein, bei ihm zu übernachten. Mit Renis Hilfe kämpfe ich mich wieder aus der Plantage heraus und wir folgen ihm ins nächste Dorf. In seinem Hof angekommen, sind wir wieder einmal froh, einen anstrengenden Fahrtag beenden zu können. Wir bekommen ein Zimmer, gutes Abendessen und viel Besuch an diesem Abend.



























Menschen quetschen sich durch die Tür, um uns zu sehen




























Kamele werden noch oft als Lasttiere eingesetzt

Peshawar, Islamabad

In Peshawar angekommen, gönnen wir uns ein paar Tage Pause und realisieren, wie sehr uns die Strapazen der vergangenen Tage mitgenommen haben. Wir schlendern durch den farbenfrohen Bazar, indem man sich schnell verliert - und wären in der verwinkelten Altstadt nicht die motorisierten Gefährte, die einen Smog erzeugen, der einem den Atem raubt, könnte man meinen man ist um 200 Jahre in der Zeit zurückgereist.




























Altstadtgetümmel



























Nuss-Bazaar



























Kino in Peshawar


Unsere nächste Station heißt Islamabad. Die Hauptstadt wurde vom ersten bis zum letzten Stein geplant und hat kein eigentliches Zentrum. Stattdessen ist sie in Sektoren eingeteilt, von denen jeder seinen Bewohnern ein eigenes Einkaufszentrum, Grünflächen und Restaurants bietet. Dort sehen wir das erste Mal sogar Mülleimer auf der Straße! Ansonsten wird der Unrat einfach dorthin geworfen, wo ihn der "Entsorgende" nicht mehr sieht, also um die Ecke oder in den Graben.

Pakistanis sagen, dass die Stadt langweilig sei. Wir können dies durchaus nachvollziehen, da das Tohuwabohu, welches die anderen pakistanischen Städte kennzeichnet, fehlt. Dennoch fühlen wir uns unglaublich wohl, nicht zuletzt weil Motorradrikschas verboten sind und wir endlich durchatmen können. Auch im übertragenen Sinne, da wir auf einem Campingplatz in einem zentral gelegenen Park zelten, wieder viele nette Reisende treffen und ansonsten nicht viel zu tun haben.


Schnee und Eis

Dies ändert sich als "Apotheker ohne Grenzen Deutschland e. V. (AoG)" mit einem Auftrag an uns herantreten, nachdem wir unsere Hilfe angeboten haben. Diesbezüglich sind wir in Mansehra verabredet.  

Von Islamabad wählen wir die Strecke über Murree. Diese führt zwar durch die Berge, ist aber kürzer und vermutlich schöner zu fahren als die große Hauptstraße. Kurz vor Murree machen wir eine Pause und ziehen unsere Winterhandschuhe an, da es langsam kalt wird. Am Wegesrand liegt Schnee und ich komme wegen Schneematsch auf der Straße ins Straucheln. Kurz danach auch Reni. Wir erkennen diese Warnung nicht. Plötzlich ist die gesamte Fahrbahn vereist, vor uns stehen sich zwei Autos gegenüber, festgefahren auf der glatten Strecke. Ich überhole langsam, da ich denke, nach dieser Passage wieder gute Verhältnisse vorzufinden...oder vielleicht weil ich nicht nachdenke. Reni bleibt stehen. Obwohl ich im Schritttempo fahre, wird das Moped auf der abschüssigen Strecke immer schneller. Ich nähere mich einer Rechtskurve, nach links ist der Abhang. Da ich völlig manövrierunfähig bin, lege ich das Motorrad nach rechts ab. Reni und einige Pakistanis eilen zu Hilfe. Wir richten es wieder auf. Spätestens an diesem Punkt hätten wir die Situation richtig einschätzen müssen und umdrehen. Aber da wir pünktlich ankommen wollen, machen wir weiter. Wir schnallen meine Koffer ab und so bewältige ich die Eisstrecke bis zu ihrem Ende. Anschließend nehmen wir auch Renis Koffer ab und ich fahre auch ihr Motorrad runter. Sie hat in der Zwischenzeit einen Jeep angehalten, ihre Aluboxen eingeladen und auf halbem Weg noch meine eingesammelt und wartet nun unten auf mich. Nachdem wir die Koffer wieder angeschnallt haben, fahren wir weiter. Bereits nach zwei Kurven ist die Straße wieder vereist.

 



























Im Eis...

Diesmal haben wir "gelernt" und nehmen die Boxen gleich ab. Nacheinander fahre ich die beiden Motorräder runter. Immer im Schritttempo, ganz sachte auf der Bremse, da es ist abschüssig ist, wenn möglich im Tiefschnee neben der Spur, um die Bremswirkung des Schnees auszunutzen. Dabei lege ich mein Moped zweimal hin. Zwei Männer und ein Junge helfen mir beim Aufrichten und bieten an, unsere Motorräder in ihren Pick-up zu laden. Wir sind zwar skeptisch, aber verzweifelt genug, um dies in Erwägung zu ziehen. Ich erwarte eine Rampe, um rauffahren zu können, aber die Männer wollen allen Ernstes unsere Maschinen hochheben! Obwohl wir auf das Gewicht von über 200 kg verweisen, versuchen sie es...vergeblich. So laden sie zumindest unsere Aluboxen ein und wir können mit leichtem Gepäck die Herausforderung wieder aufnehmen, mit dem Pick-up als Nachhut. Eine vereiste Strecke folgt der nächsten. Anfänglich fahre ich noch Renis Motorrad über die Eisfelder, aber nachdem wir realisiert haben, dass es noch lange so weitergehen wird, fährt sie selber, damit wir zumindest eine Chance haben, dies vor Anbruch der Dunkelheit hinter uns zu bringen. Häufig legen wir uns dabei mit den Mopeds hin. Unsere "Gepäck-Leute" helfen uns dann immer wieder auf und schieben, wenn wir anders nicht vorwärtskommen. Dabei sind sie leider auch ungeschickt, sodass sie uns manchmal umkippen. Mein Motorrad hat beim ersten Sturz irgendwo einen Schlag abbekommen, fortan klappert es umdrehungssynchron. Aber darum kümmere ich mich nicht. Wir wollen nur vorwärts. Allmählich schwindet das Tageslicht und uns wird klar, dass wir es an diesem Abend nicht mehr bis nach Mansehra schaffen werden. Nun wollen wir lediglich beim nächsten Hotel anhalten und den grauenvollen Tag beenden. Nach einigen hundert Metern eisfreier Straße fahren wir wieder eine Rechtskurve und wissen bereits, dass es danach wieder vereist sein wird, da es sich um die Nordseite handelt. Diesmal geht es bergauf. Es ist ein furchtbares Gefühl mit der Gewissheit zu fahren, dass man sich ohnehin hinpacken wird. Ich falle zuerst, Reni überholt mich noch und legt sich einige Meter weiter ebenfalls hin. Wäre es mittlerweile nicht dunkel geworden und wären wir nicht total erschöpft, dann könnte ich über das Bild, das sich uns bietet, vielleicht lachen: Die Straße windet sich in Kurven den Berg hoch, ist vollständig von festgefahrenem Schnee bedeckt und vor uns liegen die Motorräder auf dem Eis, die Scheinwerfer anklagend auf uns gerichtet. Reni kommt zu mir und schiebt mich, aber wir gewinnen fast keinen Boden. Zu steil und zu eisig! Wir kämpfen Meter um Meter, der Junge hilft uns. Dann kommen auch die Männer aus dem Pick-up, den sie weiter oben geparkt haben, heben Renis Motorrad auf und schieben es bergauf. Das klappt eingermaßen gut. Ich steige ebenfalls ab und wir folgen ihrem Beispiel. So schieben jeweils drei Leute ein Motorrad und wir nähern uns in kleinen Schritten einem Licht, welches am Ende des Anstiegs und der Eisstrecke verlockend leuchtet. Dieses Licht mobilisiert unsere letzten Kräfte und ohne zu wissen wie, erreichen wir das Haus: ein Hotel! Aber unsere Helfer finden dieses Hotel nicht gut und raten uns noch drei Kilometer bis zu dem Ort Nathia Gali zu fahren, die Straße soll frei sein. Weiter geht´s. Entgegen ihrer Beteuerung - ohne die wir sicher nicht noch einmal aufgestiegen wären - ist die Straße nach der übernächsten Kurve wieder vereist, aber im Vergleich zu bereits Bewältigtem fast harmlos. Inzwischen haben wir eine gewisse Routine entwickelt und paddeln die Motorräder im ersten Gang über die Stellen hinweg. Wir erreichen ein Hotel und checken dort ein. Ich parke die Motorräder in dem Restaurant und vollkommen erschöpft fallen wir ins Bett.

Obwohl wir uns auf der Strecke nichts sehnlicher gewünscht haben, als irgendwo anzukommen, finden wir keine Ruhe. Wir machen uns Vorwürfe und können nicht fassen, warum wir nicht bereits bei den ersten Rutschern, aber spätestens bei Erreichen der komplett vereisten Straße, umgedreht sind?! Insgesamt hatten wir trotzdem großes Glück: Außer ein paar blauen Flecken ist uns nichts passiert. Die Motorräder sind so robust, dass ihnen die unzähligen Stürze nichts anhaben konnten, lediglich mein Spiegel und die Blinker sind verzogen sowie die Aluboxen etwas verbeult. Ohne die Pakistanis mit dem Pick-up, die uns unermüdlich geholfen haben, hätten wir es nicht geschafft.

 


























Unsere Helfer


Zu der Verabredung in Mansehra fahren wir am nächsten Morgen und nehmen, traumatisiert, ein Taxi.

 

Im Einsatz für Apotheker ohne Grenzen

Kurz nach dem Erdbeben Anfang Oktober hat AoG im Rahmen eines Katastropheneinsatzes in Pakistan Hilfe geleistet. Nun soll ein mittelfristiges Projekt gestartet werden. Unsere Aufgabe besteht darin, die Situation vor Ort zu evaluieren und uns diesbezüglich mit lokalen Hilfsorganisationen und Behördenvertretern zu treffen.

Um einen Eindruck vom Ausmaß der Katastrophe zu gewinnen und mögliche Einsatzorte für das geplante AoG-Projekt ausfindig zu machen, besichtigen wir einige Krankenhäuser und Zeltdörfer in der Region um Mansehra. Dort finden wir Gebiete vor, in denen die gesamte Bevölkerung nun in Zelten lebt. Oft sind es noch nicht einmal Zelte, sondern nur Plastikplanen, die entweder als Dach gespannt sind oder als Schlafunterlage dienen.



























Provisorische Schule in einem Zeltdorf

Wir sind viel unterwegs und treffen uns mit unzähligen Personen verschiedener Organisationen. Nichtsdestotrotz dauert es einige Zeit bis sich herauskristallisiert, wie und wo ein AoG-Projekt im Erdbebengebiet in Pakistan realisiert werden kann.

Postscriptum: Es freut uns sehr, dass ab Januar weitere AoG-Mitglieder nach Pakistan gekommen sind, um ein von uns initiiertes Projekt weiterzuführen und neue aufzutun.

Eine weiterer Auftrag von AoG war, eine Frachtlieferung aus Deutschland - bestehend aus Kuscheltieren und Spielsachen - an bedürftige Kinder zu verteilen. Diese dankbare Aufgabe haben wir gerne übernommen und konnten vielen Kindern, die Schreckliches erlebt haben, wenigstens ein Lächeln ins Gesicht zaubern.



























Reni verteilt Geschenke in einem Zeltdorf


Während unserer Tätigkeit für AoG sind wir von Ikram, dem sehr engagierten Gründer einer pakistanischen Hilfsorganisation, eingeladen, in seinem Haus in Abbottabad zu wohnen. Insgesamt zehn Tage dürfen wir den Luxus genießen, den zwei Hausangestellte bieten: Wir werden bekocht, alle paar Stunden kommt ein Tee zu unserem Aufenthaltsort "gewandert" und um unsere Wäsche müssen wir uns auch nicht selber kümmern. Wir essen abends zusammen mit Ikram, können seinen PC und das Internet nach Lust und Laune benutzen und profitieren von den guten Kontakten unseres Gastgebers. Als wir schließlich weiterziehen, wollen uns Ikram und seine Familie gar nicht gehen lassen, da sie, genau wie wir, die gemeinsame Zeit sehr genossen haben.



























Abendessen mit unserem Gastgeber Ikram



























Markt in Abbottabad


Taxila - Lahore

Auf dem Weg nach Lahore besichtigen wir die historischen Tempelanlagen in Taxila, welche eine der ältesten buddhistischen Siedlungen in Asien darstellen. Lahore, die letzte pakistanische Stadt vor der Grenze zu Indien, ist anders. Auf unserer Reise haben wir es mehrmals erlebt, dass sich der Osten eines Landes deutlich vom Rest unterscheidet. In Ostanatolien äußerte sich dies darin, dass die Menschen aufdringlicher und aggressiver waren. Im Osten des Irans waren die Bewohner derber und weniger an uns interessiert als im Rest des Landes. In Lahore sind auf einmal wieder Frauen auf der Strasse, oft auch ohne Kopftuch. Das Essensangebot ist sehr vielfältig und der Verkehr auf den Straßen hektischer und anstrengender als wir es bisher in Pakistan erlebt haben. Soll dies schon ein Vorgeschmack auf Indien sein?

Dort besuchen wir noch einmal ein Fort, Moscheen und Museen und genießen unsere letzten Tage in Pakistan.














































Der Elektronik-Bazaar in Lahore



























Wazir-Khan-Moschee



























Die Badshahi-Moschee

Besonders gefällt uns die "Food-Street", in der ein Restaurant neben dem anderen Tische und Bänke auf der (für Fahrzeuge gesperrten) Straße aufgestellt hat und die verschiedensten Spezialitäten angeboten werden.

In den vergangenen sieben Wochen haben wir ein Land kennengelernt, das an Herzlichkeit alles überboten hat, was wir bisher erlebt haben. Wir hatten nicht einen Moment das Gefühl, daß es unsicher oder gefährlich war. Und wenn wir uns in eine missliche Situation gebracht hatten, waren es immer wieder die hilfsbereiten Menschen, die uns so selbstverständlich eine Hand gereicht haben.

 

Die Gastfreundschaft

Auf unserer gesamten Reise von der Türkei, durch den Iran und nach Pakistan erleben wir eine Freundlichkeit, die überwältigend ist. Uns wird Tee angeboten, Obst geschenkt, wir werden von hilfsbereiten Einheimischen über den Bazaar geführt, um zu finden, was wir suchen und als Höhepunkt der Gastfreundschaft verbringen wir immer wieder einige Nächte im Schoße von Familien.




























Tee und Kekse mit einer Familie


Unserer Meinung nach liegt dies an zwei Dingen: Da es in früheren Tagen keine Herbergen oder Hotels für Reisende gab, waren sie darauf angewiesen von der Bevölkerung unterstützt zu werden. Dies hat sich in der islamischen Gesellschaft bis heute gehalten, nicht zuletzt da der Koran dies auch vorschreibt. Zudem ist es eine große Ehre Gastgeber zu sein.

Zweitens haben die Menschen hier einfach Zeit und lieben es, sich mit Fremden zu unterhalten. Für sie ist es oft die einzige Möglichkeit aus erster Hand von fernen Ländern zu hören, da es ihnen, aus unterschiedlichen Gründen, meist nicht möglich ist selbst zu reisen. So interessiert es sie, was die Menschen in Deutschland über Pakistan denken, welche Religion wir haben und ob die Hochzeiten auch arrangiert sind - wie es dort üblich ist - oder ob es Liebes-Hochzeiten sind..."oh, love marriage, I heared about it."

Uns interesssiert hingegen, warum in fast jeder Familie ein Gewehr zur normalen Ausstattung gehört. Daraufhin wird uns mit einem Zwinkern "safety machine" geantwortet.

Als wir einen Vater von neun Kindern fragen, ob das genug sind und ob jetzt Schluss sei, erwidert er entrüstet "Nooooo, no finish!" Unter dem Aspekt, dass Kinder in Pakistan die Altersversorgung der Eltern darstellen, ist das durchaus verständlich, dennoch haben wir Mitleid mit den armen Frauen.

 

Aus Frauensicht

Ich bin ausnahmsweise alleine unterwegs und gehe in eine Apotheke, um eine Bodylotion zu kaufen. Sobald mich der Apotheker erblickt, reicht er mir einen Stuhl über den Tresen, damit ich mich setze. Bevor ich meinen Wunsch artikulieren kann, wird auch schon Teewasser für mich aufgesetzt, Widerrede zwecklos. Ich ergebe mich in mein Schicksal und schaue mich in der Apotheke um. Die Bodylotion hat er nicht, aber ich entdecke prompt etwas anderes, das ich kaufen möchte und zücke das Geld. "Nein, nein, du bist mein Gast!" Resignierend stecke ich das Geld wieder ein, schlürfe meinen Tee und frage anschließend nach einer Toilette. Im Laden ist keine, aber er führt mich zielstrebig zum benachbarten Hotel, erbittet vom Rezeptionisten einen Zimmerschlüssel für mich und wartet vor der Tür. Als ich mich danach von ihm verabschiede, ist er hocherfreut meine Bekanntschaft gemacht zu haben und wünscht mir einen schönen Tag. Ich gehe mit einem Lächeln.

Gleichzeitig muss ich aufpassen, dass ich Männer nicht direkt anlächele. Als Touristin errege ich ohnehin schon große Aufmerksamkeit, welche eine andere Wertung bekommt, wenn ich alleine unterwegs bin. Einige Männer murmeln im Vorbeilaufen etwas, dem ich natürlich nicht die geringste Beachtung schenke. Ich halte meinen Blick fixiert und versuche durch alle Menschen hindurchzugucken, komme mir aber trotzdem vor wie ein Alien, da sich viele nach mir umdrehen, obwohl ich den Hijab und ein Kopftuch trage. Ich empfinde es als anstrengend - eben weil ich mich nicht so geben kann, wie ich normalerweise bin. Frauen sind üblicherweise nur in Begleitung, entweder mit ihrem Ehemann, den Kindern oder anderen Frauen, auf der Straße zu sehen. Dies verinnerlicht sich in mir. Ich passe mich der herrschenden Frauenrolle an. Tobi übernimmt die außerhäusigen Tätigkeiten wie Einkäufe, während ich zu Hause bleibe und die Wäsche mache. Es ist komisch festzustellen, dass die Gesellschaft ihr Frauenbild auf mich pressen kann und ich mich nur wohl fühle, wenn ich mich entsprechend verhalte.

Insofern kam es seit der Türkei selten vor, dass ich alleine irgendwelche Erledigungen gemacht habe. In der islamischen Welt bin ich von meinem Mann (seit der Türkei sind wir selbstverständlich verheiratet) abhängig. Dies zeigt sich zum Beispiel in folgender Situation, die wir öfters erlebt haben: Betrete ich einen Raum zuerst und grüße in der Landessprache, passiert nichts. Sekunden später erscheint Tobi grüßend und die Männer springen auf, begierig ihm die Hand zu geben und umarmen ihn freundschaftlich lächelnd. Als Frau zählt man bei Männern - fairerweise muss ich zufügen, dass es nicht alle sind, aber doch die dominierende Mehrheit - einfach nicht. Für eine emanzipierte westliche Frau ist das eine ungewohnte Erfahrung.

Das ist die Kehrseite der Medaille. So angenehm die moslemische Gastfreundschaft ist, so anstrengend ist die Rolle der Frau. Insofern bin ich was unsere Weiterreise nach Indien betrifft zwiegespalten. Einerseits freue ich mich darauf, den strengen Kleidungs- und Verhaltensvorschriften zu entkommen, andererseits graut mir vor der viel beschriebenen mangelnden Hemmschwelle der Inder vor Touristen im Allgemeinen und Touristinnen im Besonderen.



























Wachwechsel an der Pakistanisch-Indischen Grenze

(16.02.06, RM, TM)

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